Die Arbeit von Berufsbeiständinnen und Berufsbeistände:Systematik:Vier Phasen der Mandatsführung:Mandatsaufnahme

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Mandatsaufnahme

Ausgangslage für die Mandatsaufnahme ist der behördliche Entscheid über die rechtswirksame Errichtung der Beistandschaft und den damit verbunden Überlegungen, die auf einer vorangegangenen Abklärungsphase der Behörde basieren. Wichtig für die Beistandsperson ist, die Überlegungen der Behörde und deren Erwartungen an die Hilfe- und Schutzmassnahme zu verstehen und den persönlichen Kontakt mit der von der Beistandschaft betroffenen Person aufzunehmen. Zur Mandatsaufnahme gehören der Erstkontakt, die Klärung von Auftrag, Aufgaben und Kompetenzen sowie die Entgegennahme der Erwartungen und Hoffnungen der von einer Beistandschaft betroffen Person als ihr Recht auf angemessene Mitwirkung und Selbstbestimmung.

Vorgeschichte, Entscheid und Auftrag der Behörde verstehen

Der Beginn der Arbeit der Beistandsperson bzw. die Mandatsaufnahme steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der von der Behörde festgestellten Schutz- und Hilfebedürftigkeit der vom Entscheid betroffenen Person. Die Beistandsperson hat ihr Handeln grundsätzlich an dem ihr von der Behörde übertragenen Aufgabenkatalog (Massschneiderung) auszurichten, weshalb es gerade zu Beginn der Mandatsaufnahme von zentraler Bedeutung ist, Vorgeschichte und Abklärungsergebnisse zu kennen und sich mit dem daraus resultierenden Auftrag auseinanderzusetzen. Dazu gehört u.a. die Klärung der Frage, für welche Lebensbereiche der verbeiständeten Person die Beistandsperson von der Behörde das Recht bzw. die Pflicht zur Einflussnahme auferlegt bekommen hat und für welche Bereiche eben nicht. So bleibt beispielsweise auch bei verbeiständeten Personen die Vertretung bei medizinischen Massnahmen im Falle der Urteilsunfähigkeit nach Art. 378 ZGB unberührt, ausser die Behörde hat die Kaskade der vertretungsberechtigten Personen in ihrem Entscheid durchbrochen und die Beistandsperson mit einem Vertretungsrecht an erste Stelle gesetzt.

Auftragsklärung und Subsumationslogik

Der Auftrag von Beistandspersonen ist kein eigenständiges Mandat, sondern vom Entscheid der Behörde abhängig. In der Arbeit der Beistandspersonen können sich fortlaufend neue Handlungsspielräume ergeben, die pragmatisch-situativ – mit Kreativität und wohl auch einer Portion Schläue – zu gestalten sind. Die Subsumtionslogik legt daher den Schwerpunkt auf die Frage, welcher Tatbestand welcher Norm, welchem Gesetz, ja welchen weltanschaulich-moralischen oder ideologischen Vorgaben zugeordnet werden kann und welche Verfahren für den Vollzug dieser Normen oder Gesetze vorgesehen sind.

Frage Ergebnis
Was ist die Ausgangsproblematik bzw. das Anlassproblem? Kontextbezogenes Bild der Situation (Beschreibungswissen)
Warum ist diese Problematik entstanden? Mit welchen problematischen Folgen? Mechanismen und Gesetzmässigkeiten (Erklärungswissen)
Was ist das Problem bzw. der unerwünschte Sachverhalt? Erweiterte Problemdefinition (Anlass, Primär- und Sekundärproblematik)
Wohin tendiert die Situation, wenn nicht interveniert wird? Eskalation oder Selbstheilung? Trends, Szenarien und Prognosen
Wer soll was verändern? Wer sind die Akteure? Helfersysteme, Rollen- und Aufgabenklärung, Interdisziplinarität
Womit soll die Veränderung ermöglicht werden? Ressourcen, Strategien und Handlungsvereinbarungen, Verhältnismässigkeit
Welche Ziele sind wann erreichbar? Priorisierung, kurz-, mittel- und langfristige Hilfeplanung, periodische Überprüfung

Prognose

Prognosen über die Zukunft menschlicher Entwicklung sind fehleranfällig und problematisch, da es weder «Normbiographien» noch «Normlebensläufe» gibt und die Einschätzung in enger Wechselwirkung mit der individuellen Sichtweise der Betrachtenden steht. Wer definiert was als Problem und wer hat die Definitionsmacht? Trotzdem sind Beistandspersonen in ihrer Arbeit gezwungen, in ihrer Arbeit die Möglichkeiten (Ressourcen) und Grenzen (Defizite) von urteilsfähigem und verantwortungsvollem Handelns der verbeiständeten Personen abzuschätzen und darauf abgestützt mehr oder weniger einschränkende Schutz- und Hilfemassnahmen zu treffen (Verhältnismässigkeitsprinzip). Zur Prognosestellung bietet sich die Szenariotechnik an, welche basierend auf der Situationsanalyse mögliche Entwicklungen inkl. deren Chancen und Risiken aufzeigt und sich mit der Frage und welche davon die wahrscheinlichste sein könnte.