Höchstpersönliche Rechte

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Höchstpersönliche Rechte sind Rechte, die unmittelbar mit der Persönlichkeit eines Menschen verknüpft sind. Unterschieden wird zwischen absolut höchstpersönlichen Rechten und relativ höchstpersönlichen Rechten.

Höchstpersönliche Rechte

Höchstpersönliche Rechte sind weitgehend stellvertretungsfeindlich, weil sie in besonderer Art und Weise mit der Persönlichkeit des einzelnen Menschen verbunden sind. Sie können nicht mittels Vollmacht an Dritte übertragen werden und es kann in diesen Bereichen - zumindest solange die von der Beistandschaft betroffen Person urteils­fähig ist - auch keine Beistandsperson dafür eingesetzt werden.

Im Falle einer Urteilsunfähigkeit wird unterschieden in höchstpersönliche Rechte, die für eine Vertretung zugänglich sind (sog. rela­tiv höchstpersönliche Rechte) und andere, für die sie kategorisch ausgeschlossen ist (sog. absolut höchstpersönliche Rechte). Da die Zuordnung zu den einen oder anderen höchstpersönlichen Rechten nicht im KESR festgehalten ist, muss jeweils nachgeschlagen werden, ob weitere gesetzlich umschriebene Voraussetzungen vorgesehen sind. Eine solche Voraussetzung bei absolut höchstpersönlichen Rechten ist, dass der gesetzliche Vertreter bei Urteilsunfähigkeit trotz Stellvertretungsfeindlichkeit die Zustim­mung zum Rechtsgeschäft erteilen muss (sog. unechte höchstpersönliche Rechte). Vgl. Tabelle 4. Spalte.

Weiter dürfen urteilsfähige Personen unter Beistandschaft, auch wenn die Hand­lungsfähigkeit beschränkt ist, ohne Zustimmung der Beiständin unentgeltliche Vorteile erlangen (in der Regel Geschenke) oder sich geringfügige Angelegen­ heiten des täglichen Lebens (z.B. Zigaretten kaufen) beschaffen (Art. 19 Abs. 2 ZGB).

Relativ höchstpersönliche Rechte

Absolut höchstpersönliche Rechte

Stellvertretung ist bei Urteilsunfähigkeit möglich

Stellvertretung ist bei Urteilsunfähigkeit nicht möglich

Bei Urteilsfähigkeit ist keine Zustimmung notwendig Bei Urteilsfähigkeit bedarf es zusätzlieh der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters (unechte höchstpersönliche Rechte) Bei Urteilsfähigkeit ist keine Zustimmung notwendig Bei Urteilsfähigkeit bedarf es zusätzlieh der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters (unechte höchstpersönliche Rechte)
Wahrung der Persönlichkeitsrechte gemäss Art. 28 ff. ZGB Recht auf Leben (Art, 10 BV)
Auflösung der Verlobung (Art. 91 ZGB) Verlobung (Art. 90 Abs. 2 ZGB)
Begehren um Eheschutzmassnahmen Eheschliessung (Art. 94 Abs. 1)
Weiterführung eines laufenden Scheidungsprozesses nach Eintritt der Urteilsunfähigkeit (BGE 116 II 385) Einreichung einer Scheidungsklage (BGE 114 la 350: str.) Ungültigerklärung der Ehe (Art, 107 ZG)
Abschluss eines Ehevertrags (Art. 183 Abs. 1 ZGB) Abschluss eines Ehevertrags (Art. 183 Abs. 2 ZGB)
Religiöse Zugehörigkeit (ab 16 Jahren und bei Urteilsfähigkeit: Art. 303 ZGB)
Klage auf Namensschutz (Art. 29 ZGB): Begehren um Namensänderung (Art. 30 ZGB), BGE 140 111 577, E. 3.1.
Einrichtung eines Vorsorgeauftrags (Art. 360 ff. ZGB) und einer Patientenverfügung (Art. 370 ZGB) sowie deren Widerruf
Ärztliche Eingriffe mit Heilzweck, einschliesslich Sterilisation und strafloser Schwangerschaftsabbruch Ärztliche Eingriffe ohne Heilzweck

Absolut höchstpersönliche Rechte

Bei den absolut höchstpersönlichen Rechten ist keine Vertretung möglich. Sie gelten als Vertretungsfeindlich. Das heisst, ein gesetzlicher Vertreter, eine gesetzliche Vertreterin kann diese Rechte nicht an der Stelle und im Namen einer urteilsunfähigen Person wahrnehmen. Zu diesen Rechten gehören beispielsweise:

  • Anerkennen eines Kindes
  • Einreichen einer Scheidungsklage
  • Erstellen oder Widerrufen eines Testaents
  • Errichten eines Vorsorgeauftrags
  • Errichten einer Patientenverfügung
  • Entscheid über religiöse Zugehörigkeit
  • Entscheid über Schönheitsoperationen, Tattoos, Piercings

Relativ höchstpersönlichen Rechte

Bei den relativ höchstpersönlichen Rechten ist eine Vertretung von urteilsunfähigen Personen möglich. Relativ höchstpersönliche Rechte sind zum Beispiel:

  • Einwilligung in ärztliche Heileingriffe, medizinische Behandlungen und in Operationen
  • Unterhaltsklagen
  • Eheschutzmassnahmen
  • Vaterschaftsklagen
  • Namensänderungen

Urteilsfähige Personen üben alle ihre höchstpersönlichen Rechte selbst aus, niemand anderes kann ihre Entscheide fällen. Die Unterscheidung von absolut und relativ höchstpersönlichen Rechten ist deshalb nur bei Urteilsunfähigkeit von Bedeutung. Kann jemand nicht selber entscheiden, ist bei den relativ höchstpersönlichen Rechten eine Stellvertretung zugelassen. Ein Beistand kann also, sofern in die KESB dazu ermächtigt hat, beispielsweise die Einwilligung zu einer notwendigen Operation geben. Bei den absolut höchstpersönlichen Rechten ist eine Stellvertretung gänzlich ausgeschlossen.

Auch urteilsfähige Kinder entscheiden im Rahmen ihrer höchstpersönlichen Rechte selber, etwa darüber, ob sie ein Tattoo wollen oder ob sie einer Operation zustimmen. Selbst eine Patientenverfügung können Kinder machen, weil man dazu bloss urteilsfähig sein muss, nicht aber auch handlungsfähig.